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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: 15 W 257/05
Rechtsgebiete: PStG, Weimarer Reichsverfassung


Vorschriften:

PStG § 47
Weimarer Reichsverfassung Art. 109 Abs. 3

Entscheidung wurde am 29.01.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
1. Frühere Adelsbezeichnungen sind nicht Teil des Namens geworden, wenn sie bis zum Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung längere Zeit im Rechtsverkehr nicht mehr namensähnlich geführt worden waren. Hierfür ist eine einheitliche Handhabung des Trägers der Adelsbezeichnung über mindestens eine Generation erforderlich.

2. Der Berichtigung eines einzelnen Personenstandseintrags steht nicht entgegen, dass hierdurch ein Widerspruch zu den Eintragungen in anderen Personenstandsbüchern entstehen kann. Grundsätzlich ist eine mögliche Unrichtigkeit für jeden Eintrag gesondert zu prüfen; ggf. sind in der Folge der ersten Berichtigung weitere in anderen Büchern notwendig.


Tenor:

Unter Verwerfung des weitergehenden Rechtsmittels als unzulässig werden der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 05.10.2004 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.)

Der Beteiligte zu 1) hat die "Wiedereintragung" des Namensbestandsteils "von" in der Form beantragt, "seine Geburtsurkunde" entsprechend zu berichtigen. Die Beteiligte zu 2), seine Mutter, hat sich dem Antrag "angeschlossen". Zur Begründung hat der Beteiligte zu 1) vorgetragen, dass seine Familie dem ursprünglich polnischen Adel angehöre und sich Ende des 18.Jahrhunderts im Königreich Preußen niedergelassen habe, wo ihre Adelsstellung durch den preußischen König anerkannt worden sei. Er hat die Kopie einer Geburtsurkunde des Standesamtes K/Preußen (Nr.18/1877) vorgelegt, nach der sein Großvater R1 am 17.07.1877 als Kind des T und seiner Ehefrau T2 geboren wurde. Nach dem Vorbringen der Beteiligten zu 1) und 2) verzog der Großvater des Beteiligten zu 1) etwa Ende des 19.Jahrhunderts in das Ruhrgebiet und arbeitete hier als Bergmann.

Aufgrund der politischen Einstellung in der Arbeiterschaft sei er angesichts seines Adelstitels in seinem Umfeld erheblichen Anfeindungen ausgesetzt gewesen, so dass er das Adelsprädikats nicht weiter geführt habe. Das Aufgebot zur Eheschließung vom 23.12.1901 sowie die Heiratsurkunde vom 15.01.1902 unterschrieb er jeweils mit "R1T". Auch der Sohn des R1T, der Vater des Beteiligten zu 1) und Ehemann der Beteiligten zu 2), führte den Nachnamen stets ohne den Zusatz "von", bemühte sich jedoch nach den Angaben der Beteiligten zu 1) und 2) über lange Zeit erfolglos um Urkunden aus Polen, um die Adelsstellung seiner Familie nachweisen zu können.

Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine Berichtigung des Nachnamens des Beteiligten zu 1) in dem Geburteneintrag schon deshalb nicht in Betracht komme, da dieser zur Zeit der Eintragung nicht Gegenstand derselben gewesen und deshalb nicht an der Beweiswirkung der Urkunde teilnehme. Hinsichtlich einer Berichtigung des Namens der Eltern in dem Geburteneintrag (mit den entsprechenden Auswirkungen auf den Beteiligten zu 1)) beständen schon deshalb Bedenken, da hierdurch ein Widerspruch zu anderen Eintragungen, insbesondere in dem Heiratsbuch- und dem Sterbebucheintrag betreffend den Vater des Beteiligten zu 1) herbeigeführt würde. Letztlich könne eine Berichtigung aber deshalb nicht erfolgen, weil der Eintrag nicht unrichtig sei. Der adelstypische Zusatz "von" sei mit Inkraftreten der Weimarer Reichsverfassung ein bloßer Namensbestandteil. Dieser Zusatz sei aber dann nicht Bestandteil des Namens geworden, wenn er im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Weimarer Reichsverfassung bereits über längere Zeit nicht geführt worden sei. Hierunter sei angesichts der namensrechtlichen Zielsetzung von Art.109 WRV nicht notwendig ein Zeitraum von zwei Generationen zu verstehen. Vielmehr erscheine der hier verstrichene Zeitraum von 12 Jahren als ausreichend, um eine Verwirkung anzunehmen.

Gegen diesen Beschluss haben die Beteiligten zu 1) und 2) mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 29.10.2004 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht durch Beschluss vom 24.06.2005 zurückgewiesen hat.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2), die sie mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 13.07.2005 bei dem Oberlandesgericht eingelegt haben.

II.)

Die weitere Beschwerde ist nach den §§ 49 Abs.1 S.2, 48 Abs.1 PStG, 27, 29 FGG an sich statthaft sowie formgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 1) und 2) ergibt sich daraus, dass ihre Erstbeschwerden ohne Erfolg geblieben sind.

Gleichwohl ist die weitere Beschwerde unzulässig, soweit mit ihr über den Antrag erster Instanz hinaus die Berichtigung weiterer Personenstandseinträge angestrebt wird. Eine Erweiterung des erstinstanzlichen Antrages ist im Personenstandsberichtigungsverfahren in der Beschwerdeinstanz nämlich nicht mehr möglich (Johansson/Sachse, Anweisungs- und Berichtigungsverfahren, Rdn.678). Die Beschränkung der Beschwerde auf den erstinstanzlichen Antrag folgt aus seiner Funktion, den Verfahrensgegenstand festzulegen, die zugleich die strenge Antragsbindung des Gerichts bedingt.

Ebenso wie die Vorinstanzen versteht der Senat den ursprünglichen Antrag der Beteiligten zu 1) und 2) dahin, dass diese die Berichtigung der Angabe des Familiennamens der Eltern in dem Geburteneintrag anstreben. Unbeschadet der o.a. Bindung an den Antrag ist dieser auch im Personenstandsverfahren grundsätzlich einer Auslegung zugänglich. Diese muss jedoch die vorgenannte Bindung beachten. Dies bedeutet insbesondere, dass die Auslegung nur insoweit zulässig ist, als sie zu einem eindeutigen Ergebnis führt, dass sich auf den Wortlaut des Antrages zurückführen lässt. Hier ergibt sich zweifelsfrei, dass der Antrag auf Berichtigung der Ehenamen der Eltern im Geburteneintrag in "T" gerichtet ist. Dieses Verständnis entspricht der eindeutigen Zielrichtung des Beteiligten zu 1) und ist noch von dem Wortlaut seines Antrages gedeckt, welchem sich die Beteiligte zu 2) angeschlossen hat. Demgegenüber lässt sich dem Wortlaut seines erstinstanzlichen Antrages nichts dafür entnehmen, dass er die Berichtigung weiterer ihn nur mittelbar betreffender Personenstandseinträge anstrebt.

Soweit die weitere Beschwerde danach zulässig ist, hält die Entscheidung des Landgerichts der rechtlichen Nachprüfung (§§ 45 Abs.1, 49 Abs.2, 48 Abs.1 PStG, § 27 Abs.1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand.

In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das Landgericht zutreffend von zulässigen Erstbeschwerden beider Beteiligter ausgegangen.

Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt der Vorinstanzen, dass eine Berichtigung nur erfolgen kann, wenn die Unrichtigkeit des Personenstandseintrags zweifelsfrei feststeht.

Ebenso zutreffend sind die Vorinstanzen hier davon ausgegangen, dass dem Standesbeamten vorliegend kein Beurkundungsfehler unterlaufen ist.

Wie von den Vorinstanzen richtig erkannt kommt es für die Entscheidung vielmehr darauf an, ob der Adelszusatz "von" gemäß Art. 109 Abs. 3 S. 2 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) zum Bestandteil des Familiennamens geworden ist. Insoweit vermag der Senat hingegen die Auffassung der Vorinstanzen nicht zu teilen, dass der Adelszusatz schon deshalb nicht zum Bestandteil des Familiennamens geworden sei, da der Großvater des Beteiligten zu 1) diesen Zusatz jedenfalls ab 1902 nicht mehr geführt habe.

Allerdings ist in der Weimarer Reichsverfassung nicht im Einzelnen geregelt, unter welchen Voraussetzungen Adelsbezeichnungen als Teil des Namens fortgeführt werden. Bei der Auslegung der Vorschrift ist jedoch zu beachten, dass es bei ihrer Zielsetzung, die Neuverleihung von Adelsprädikaten auch als Namensbestandteil auszuschließen, auch nicht ihr Sinn gewesen sein kann, solche Adelsbezeichnungen wieder aufleben zu lassen, die damals bereits nicht mehr benutzt wurden. Die Rechtsprechung geht deshalb zu Recht davon aus, dass Adelsbezeichnungen jedenfalls dann nicht Bestandteil des Namens geworden sind, wenn sie bei Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung lange Zeit im Rechtsverkehr nicht mehr geführt worden waren (vgl. BVerwG StAZ 1969, 185, 186; BayObLG StAZ 1981, 184, 185; OLG Frankfurt StAZ 1885, 12, 13; OLG Düsseldorf StAZ 1997, 177f; KG StAZ 1999, 38ff). Entgegen der Auffassung, die der Beteiligte zu 1) zu vertreten scheint, ist daher nicht allein ausschlaggebend, ob nach den bis 1919 geltenden adelsrechtlichen Bestimmungen die Befugnis bestand, die Adelsbezeichnung zu führen. Hinzukommen muss vielmehr, dass die Bezeichnung auch tatsächlich geführt wurde.

Die Frage, welcher Zeitraum einer tatsächlichen Nichtbenutzung eine Adelsbezeichnung mit Inkrafttreten der WRV in Wegfall brachte, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Das OLG Frankfurt (a.a.O.) hält die Nichtbenutzung über "mindestens zwei Generationen" für erforderlich, andere Obergerichte sehen diesen Zeitraum eher als Orientierungsmaßstab (BayObLG a.a.O.; offen OLG Düsseldorf a.a.O.). Auch der vorliegende Fall gibt dem Senat keinen Anlass, zur Frage einer absoluten zeitlichen Grenze Stellung zu nehmen.

Für die Entscheidung, welcher Zeitraum im vorliegenden Zusammenhang maßgebend ist, muss die namensrechtliche Funktion des Art.109 Abs. 3 S. 2 WRV berücksichtigt werden. Die Vorschrift knüpft bei der Überführung der Adelsbezeichnungen in das Namensrecht an tatsächliche Verhältnisse an, in denen es den Berechtigten jedenfalls faktisch freigestellt war, ihre Adelsbezeichnung zu führen. Nach Auffassung des Senats macht es die namensrechtliche Ordnungsfunktion in dieser Situation erforderlich, hinsichtlich der tatsächlichen Führung der Adelsbezeichnung solche, eher kurzfristigen Verhaltensweisen auszuscheiden, die sich als eher zufällige Reaktion auf konkrete rechtliche oder soziale Zusammenhänge darstellen könnten. Erforderlich erscheint vielmehr -bezogen auf die Zeit vor 1919- eine Verfestigung der tatsächlichen Handhabung. Da es zudem um die Ordnungsfunktion des Familiennamens geht, erscheint dem Senat in zeitlicher Hinsicht eine einheitliche Handhabung der Nichtführung der Adelsbezeichnung über jedenfalls eine Generation erforderlich, um dieser -bezogen auf den Regelungsgehalt des Art.109 WRV- die Namensfunktion zu entziehen.

Diese Voraussetzung haben die Vorinstanzen nicht festgestellt. Nach den bisher vorliegenden Erkenntnisquellen dürfte eine solche Handhabung auch eher auszuschließen zu sein. Nach der Auskunft der Stadt S hat es den Anschein, dass sich der Großvater des Beteiligten zu 1) bei seinem Zuzug in diese Stadt im Jahre 1897 noch als "T" polizeilich angemeldet.

Die angefochtene Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Die durch das Amtsgericht vertretene Auffassung, einer isolierten Berichtigung des Geburtseintrages stehe auch entgegen, dass dann Widersprüche zu den vorhergehenden und nachfolgenden Geburtseinträgen entstehen würden, teilt der Senat nicht. Hinsichtlich der zeitlich nachfolgenden Personenstandseinträge, die mit dem hier betroffenen Eintrag in einem zwingenden Zusammenhang stehen, besteht die Möglichkeit der Folgeberichtigung (§§ 78 Abs.4, 81 DA). Auch hinsichtlich der zeitlich vorhergehenden Personenstandseinträge gilt jedoch, dass deren mögliche Unrichtigkeit der isolierten Berichtigung eines einzelnen Eintrags nicht entgegen steht. Dies ergibt sich schon daraus, dass die mögliche Unrichtigkeit sowohl materiell- wie verfahrensrechtlich jeweils nur bezogen auf den einzelnen Personenstandseintrag beurteilt werden kann. Verfahrensrechtlich bietet das Personenstandsrecht bei unterschiedlichen Zuständigkeiten keine Möglichkeit der Entscheidungsharmonisierung. Materiell-rechtlich kann die rechtliche Grundlage für die Beurteilung im Zeitablauf wechseln, wie gerade der vorliegende Fall im Hinblick auf das Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung zeigt.

Weiter steht auch das Persönlichkeitsrecht (Art.2 GG) des verstorbenen Vaters des Beteiligten zu 1) einer Berichtigung seines Namens in dem Geburteneintrag nicht entgegen. Die vom Amtsgericht in diesem Zusammenhang angeführte Rechtsprechung des BVerfG (NJW-FER 2001, 193) betrifft den Schutz der tatsächlichen Namensführung, sei sie rechtmäßig oder an sich rechtswidrig. Diese Schutzfunktion kann das Persönlichkeitsrecht für den Vater des Beteiligten zu 1) schon deshalb nicht mehr erfüllen, weil er verstorben ist. Ob der Grundrechtsschutz des Art.2 GG mit dem Tode eines Menschen wegfällt oder ein nachwirkender Schutz anzuerkennen ist, kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen, da sich ein nachwirkender Persönlichkeitsschutz jedenfalls nicht gegen eine von den Nachkommen angestrebte Namensberichtigung wendet.

Gleichwohl ist die Sache nicht zur Entscheidung reif, da die Vorinstanzen, von ihrem Standpunkt aus konsequent, keine Feststellungen dazu getroffen haben, ob der Großvater des Beteiligten zu 1) tatsächlich dem Adel angehört hat. Die insoweit notwendigen Feststellungen kann der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht nachholen.

Die Geburtsurkunde für den Großvater des Beteiligten zu 1) vom 25.07.1877, die inhaltlich geeignet wäre, die frühere Führung des Namenszusatzes zu beweisen, liegt bislang nur als einfache Kopie vor. Zu ihrer Überprüfung wird die Vorlage einer beglaubigten und ggf. legalisierten Abschrift erforderlich sein. Dabei wird das Gericht zu prüfen haben, ob anstelle einer Vorlage seitens des Beteiligten zu 1) nicht die Einholung einer Ausfertigung seitens des Standesbeamten im Wege des internationalen Rechtsverkehrs in Betracht kommt. Weiter könnte es sich anbieten, Abschriften der Meldeunterlagen oder Melderegister, die der Auskunft der Stadt S vom 10.01.2002 zugrunde liegen, zu beschaffen, um sich Klarheit über die Art der Namensführung im Behördenverkehr im Jahre 1897 zu verschaffen.

Da die aus der Sicht des Senats erforderliche Sachaufklärung in beiden Instanzen unterblieben ist, hat der Senat von dem ihm eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch gemacht, die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da grundlegende Sachverhaltsfeststellungen tunlichst in erster Instanz zu erfolgen haben. In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird das Amtsgericht vor einer abschließenden Entscheidung zu prüfen haben, inwieweit eine Beteiligung der Ehefrau und Sohnes des Beteiligten zu 1) an dem vorliegenden Verfahren im Hinblick auf ihre materielle Betroffenheit geboten erscheint.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 131, 30 KostO.

Ende der Entscheidung

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